Kategoritis

Ich hatte schon mal über die Moral und das Ideal geschrieben. Meiner Meinung nach bedarf jedes Ideal Dogmen um Wirklichkeit werden zu können. Nun könnte man das noch abstrakter sich ansehen und fragen, ob nicht nur eine Idee sondern alles, was wir mit unserer Vernunft erdenken können, einer Moral, einem Dogma, einer Norm, eben bloßer Kategorien unterliegt.

Wir haben in unserer aktuellen Welt das Problem, dass wir alles und jedem einen Namen geben. Vor jeder wissenschaftlichen Arbeit wird erstmal abgesteckt, was die Worte bedeuten. In diesem Rahmen wird dann gearbeitet.

Genau genommen tun wir das immer, wenn wir denken. Zwar mögen wir über Phänomene Gedanken machen, die noch keinen Namen erhalten haben. Aber spätestens wenn wir mit anderen kommunizieren, versuchen wir es in Worte zu fassen. Dabei soll das Wort am besten gleich beinhalten, was das Phänomen darstellt, so als ob im Namen gleichsam die Bedeutung festgelegt werden würde. Mit dieser Angewohnheit, wie man auch am Titel des Artikels sehen kann, kategorisieren wir bereits. Und letztlich ist es nichts anderes, wenn wir von Rechts und Links sprechen, die Konnotation kategorisiert das damit bezeichnete in Gut und Böse.

Das wir überhaupt uns sehr früh auf Bezeichner festlegen, halte ich für falsch und den Grund für weitergehende Diskussionen und Bedeutungsverschiebungen. Wenn selbst die Wissenschaften sich in ihrer nicht sicher sein können, warum dann schon frühzeitig auf einen Namen für das untersuchte Phänomen festlegen? Es steht einer Weiterentwicklung des Zweiges in der Regel entgegen.

Vielleicht können wir hier aus der Vergangenheit lernen. Denn schon die Juden, also die älteste Religion in deren Tradition wir stehen, hat dieses eine unsagbare Wort. Wenn wir mal dieses Wort hernehmen und es als ein Phänomen betrachten, welches noch nicht erklärt ist, dann können könnten wir unendlich lange darüber diskutieren. Einen Haken hat diese konkrete Sache: Der Name steht in diesem Fall schon fest.

Einen Schritt weiter geht der Islam. Denn hier soll man kein Bildnis anlegen. Abstrakter könnte man sagen, keine Ikone. Wenn wir nun Islam und Judentum kombinieren, dann dürfen wir weder das Wort sagen, noch es in Zeichen, also auch nicht in Buchstaben, ausdrücken. Wir müssten also unser Phänomen so lange untersuchen und beschreiben, bis wir uns alle einig sind über die Wirklichkeit des Gegenstands. Wenn dieser unumstößlich fest steht, dann, würde ich sagen, sollten wir es erst benennen.

Die christliche Tradition ist es aber, alles sofort mit einem Namen zu belegen, als ob klar wäre, was es ist. Politisch ist das Klever, es dauert so nicht lange, die Opposition in die Schranken zu weisen. Und natürlich kann man so auch gut seinen Anhängern erklären, warum man die Wahrheit kennt – man hat sie schließlich mit den Begriffen erfunden.

Statt also voreilig irgendwelche Worte zu besetzen und die Dinge so zu benennen, dass es vor allem dem eigenen Ego oder der bevorzugten Disziplin dient, wäre es dem Frieden dienlicher, wenn wir so lange in der Diskussion und Kritik bleiben, bis jeder Zweifel ausgeräumt ist. Ein Bezeichner, oder eine Kategorie im Konsens zu bilden, nämlich dann, wenn jeder Zweifel und jede Kritik abgearbeitet ist und niemand mehr die Bedeutung in Frage stellen kann, macht mehr Sinn und wäre friedenstiftend.

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