In vormodernen Zeiten gab es eine Hypermoral, die es unter allen Umständen einzuhalten galt. Über dieser Moral stand niemand. Wer gegen die Normen verstieß und auch nur im entfernten ethisch falsch handelt(e), dem plagt das sogenannte Gewissen. Man fühlt sich schuldig. Man weiß, dass dem Sozialen Korrektiv das ganze nicht gefallen würden, täten sie es wissen. Damit er nicht an seiner Schuld zerbricht, gab es die Beichte. Zunächst. Später kam man auf die Idee, Geld mit den Leidensdruck zu verdienen. Retrospektiv sagen wir, dass die Kirche die Menschen ausgebeutet habe. Aber zum Beginn der Postmoderne dulden und betreiben wir den Ablasshandel wieder, nur in kapitalistischer Form. Ein nicht so ganz ernst gemeinter Artikel und trotzdem zum Nachdenken 😉
Am besten erkennen lässt sich der Ablasshandel dann, wenn es ein neues Ideal gibt, nachdem wir uns richten sollten. Ich will mal kurz Anreisen, welchen Ablass ich sehe und, zuletzt, warum er schadet.
Müllvermeidung
Wenn ich, wie jeder von uns, Dinge kauft, die in Plastik verpackt sind oder deren Herstellung Abfälle verursacht, dann können wir zum Beispiel gelegentlich, Dinge kaufen, die explizit geupcycelt sind. Auf anderen steht für jeden sichtbar, dass es sich um 100% Recyclingmaterial handelt. Sicher, diese Produkte sind super und helfen, sie helfen den postmodernen Menschen aber vor allem sein Gewissen zu reinigen, denn nur wenige können oder wollen ausschließlich mit diesen Dingen leben.
Klimaschutz
Wir wissen auch, dass Flugzeugfliegen schadet. Ohne jegliche Filter wird der Treibstoff mit all seinen chemischen Adjektiven in die Luft geblasen. Nur wie kommt man ohne Flugzeug in einer überschaubaren Zeit an die Orte, die uns Influencer zeigen und die man besucht haben muss, will man Teil der globalen Gemeinschaft sein?
Um auf der einen Seite dem Tourismus, obwohl weitere Schäden verursacht werden, frönen zu können, auf der anderen Seite aber unser Klimagewissen nicht zu belasten, können wir Bäume pflanzen. Irgendwo auf der Welt, Hauptsache pro x Kilometer ein Baum. Dass dies zwar die Sache nicht verbessert, weil dann nur der CO2-Ausstoss ausgeglichen wird, nicht aber die Umwelt schützt ist, spielt dann keine Rolle mehr.
Am besten ist in der Hinsicht aber, wenn man ein Elektroauto fährt. Man kann zeigen, dass man mitdenkt. Also man kann so tun als ob man mitdenken würde. Dass der Strom aber im Moment vorwiegend aus Kohlekraftwerken kommt und man mittelfristig nicht auf Atomkraft verzichten können wird, dass die Rohstoffe von Menschen in ähnlichen Bedingungen arbeiten, wie die Menschen während der industriellen Revolution, das wir damit womöglich Staaten unterstützen, die Konzentrationslager betreiben, all das spielt dabei keine Rolle.
Fitness
Mir fällt noch die Fitnessindustrie ein, die man vielleicht auch dazuzählen kann. Spätestens seit Corona ist in den Köpfen, dass wir besser nicht krank werden sollten, dass schade dem Gesundheitssystem. Überhaupt ist eine Fitnesswelle zu beobachten gewesen, die sich in dieser Zeit nur verstärkt hat. Was gibt es auch schöneres, als morgens in der Sonne eine runde zu Joggen. Nicht jeder kann das zeitlich aber auch wegen fehlender Willenskraft oder einfach nur wegen der Unlust. Natürlich gibt es Alternativen, die unser Gewissen reinigen. Superfood. Wer dies konsumiert, der tut etwas für sich und schadet somit der Gesellschaft weniger. Immerhin.
Ethik
Aber nicht nur die Handlungen können unser Gewissen reinwaschen. Auch die Ethik kann begründen, weshalb wir Dinge tun, die man bei einem besten Menschenverstand sich nicht vorstellen kann. Die einzige Pflicht, die man als Idealist hat ist, diese Ethiker am Leben zu erhalten – in dem man sie bezahlt natürlich. Sie können wunderbar begründen, warum es gut und wichtig ist, dass wir unsere Lebensmittel gentechnisch modifizieren und in sie Gifte aus Tieren einbauen und somit ein hybrides Obst-Tier herstellen. Sie könne erklären, weshalb es sein darf, dass jeder Mensch jede erdenkliche medizinische Behandlung über sich ergehen lassen muss. Und sie erklären, weshalb töten etwas gutes ist. Immer dann, wenn Krieg Frieden bedeutet oder Zwang Freiheit, dann ist Ethik im Spiel. Das heißt, wenn es ein Ziel gibt, dann bereiten Ethiker den Weg. Setzt die Moral immerhin noch auf feste Regeln, spielt es bei der Ethik keine Rolle ob die Ergebnisse, also deren Moralen, sich widersprechen oder nicht. Einen Aberglauben damit zu formen sollte kein Problem sein. Auch Ethik bräuchte, wie jeder Idealismus, eine Moral. Somit aber ist Ethik das Werkzeug, wenn es darum geht, argumentativ von einer Schuld oder Unvernunft zu befreien.
Es gibt also viele Möglichkeiten, wie man mitschwimmen kann, ohne sein Leben zu verändern. Die Punkte sind alle wichtig und erfordern ein Umdenken und Ändern der Lebensweise. Jeder müsste sich ändern, wenn das Ziel erreicht werden soll, das jeweils angestrebt ist. Das dies wegen der sogenannten Anpassungsstörungen nicht machbar ist, ist auch klar. Also gibt es eine Alternative, die man bequem von Zuhause machen kann, wie ein Like einer Demo auf Facebook, damit wir Teil der Bewegung sein können ohne uns zu bewegen.
Immer wenn es Alternativen gibt, werden wir die Alternativen wählen, die für uns den geringsten Aufwand bedeuten. Der Mensch ist komplett so programmiert das er mit geringstem Energieaufwand das maximale an Erfolg erreichen will. Das meine ich jetzt physiologisch und psychologisch. Bieten wir also Lösungen für ein moralisches Dilemma an, das Beinhaltet, dass wir unsere Einstellung oder Lebensweise nicht ändern müssen, dann werden wir diese wahrnehmen. Gelingt es uns auch noch, diese Lösung mit positiven Emotionen aufladen, dann regen wir nichtmal das Nachdenken und Reflektieren an.
Und so ist es dann, dass wir zwar eine bessere Zukunft haben wollen, ich denke das möchte jeder, aber dafür etwas tun, sich verändern, seine Einstellung ändern, seine Moral oder gar sein Denken und Handeln, dass will niemand. So konservativ, physiologisch und psychologisch, ist die Masse eben. Die Alternativen sind die Programme und die erfolgreichsten sind jene, welche am wenigsten Aufwand erfordern – oder solche, die andere Menschen in die Pflicht nehmen. Hauptsache alles bleibt für mich wie es ist.