Wie Menschen leben und sich organisieren, ist lange diskutiert. Seit der Antike spielt die Moral eine große Rolle und in jüngerer Zeit wurde die ebenso alte Ethik als Gegenspieler positioniert. Ob daraus eine neue Art der Gesellschaft entstehen kann? Ich behaupte, Ethik und Moral sind nur zwei Seiten der selben Medaille, also Alternativen die mit dem selben Ziel. Eine Transformation in eine neue Gesellschaft ist damit nicht möglich.
Die Moral ist mehr oder weniger ein Überbegriff für Tugenden, Werte, Normen, Bräuche oder Sitten, die als Grundlage oder auch als Ziel einer Gesellschaft gelten. Diese sind oftmals in langer Tradition, aus der Erfahrung, aber auch aus Aberglaube gewachsen. Manches, wie vielleicht Tugenden und Werte, sind möglicherweise durch die Vernunft entstanden, mit dem Ziel, doch irgendwie Gleichberechtigt zusammenzuleben. Letztlich ist Moral das, was das Kollektiv für richtig erachtet. Die Gemeinschaft stellt sich mit dem Argument Moral über das Individuum.
Was wir mit diesem kurzen Abriss gemacht haben ist Ethik. Ethik untersucht die Moralen, also Tugenden, Werte, Bräuche, usw. und bewertet diese. Während die Moral Gut und Böse anhand der Einhaltung der Normen der Gesellschaft beurteilt, so legt die Ethik fest, was Gut und Böse ist. Töten mag in manchen Ideen gerechtfertigt sein, die Ethik würde dies jedoch ablehnen. Mir ist es nicht bekannt woher die Beurteilung kommt. Für mich ist die Ethik nichts weiter als ein neuer Begriff für Moral. Sie macht nichts anders, nur macht sie es modernen und verwendet weder Götter noch Ideale sondern versucht sich mit Rationalismus. Das Bewerten, und damit das Erheben über andere, bleibt.
Ob Ethik oder Moral, beides braucht eine Grundlage, also ein Messsystem, anhand dessen es überhaupt bewerten kann. Allein aus diesem Grund ergibt sich, dass sie nicht Vor- oder Hintereinander stehen oder dass das eine dem anderen vorausginge. Es sind Methoden mit dem das selbe Objekt untersucht wird, der Mensch als Individuum und als Gemeinschaft. Die Grundlage, also die Basis aller Arbeit, ist jedoch Willkürlich und kann in beiden Lagern zu Oppositionen führen. Einigkeit gibt es seit Jahrtausenden nicht, es ist also nicht damit zu rechnen, dass es jemals demnächst so weit sein wird. Gäbe es in der Ethik, als die moderner Methode, solche Regeln, dann wären sie Normen und Normen sind Moralen. Sich selbst zu erklären dürfte an die Grenze dessen stoßen, was Sprache kann.
Die beiden Methoden Moral und Ethik sind deshalb nicht geeignet, uns einen Weg in die Zukunft zu zeigen. Einige Auswüchse kennen wir. So war es in der Vergangenheit üblich Menschen zu steinigen. Das war und ist zuweilen moralisch, denn es ist die Norm oder der Brauch. Für andere ist es gute Sitte zu Gendern, was, außer zu marketingzwecken vielleicht, nicht gerade Usus ist. Manche halten den Humanismus für Ethisch, obwohl er in seinem Manifest explizit das Töten, Lügen und Betrügen duldet. Natürlich nur dann, wenn man damit den Humanismus verbreitet. Gleichzeitig Verurteilen wir die selbe Hypermoral, wenn sie durch Christen oder Islamisten ausgeübt wird, wenn sie also durch Gewalt, Lug und Betrug ihre Ideen verbreiten. Warum erlaubt man also das, was man verurteilt? Kann mir die Idee dahinter rational erklären? Moral und Ethik funktionieren nicht.
Doch wie könnten wir dann zusammen leben? Jeder für sich und alle gemeinsam. Friedlich untereinander und im Einklang mit der Natur, die uns das Leben überhaupt erst ermöglicht. Als Möglichkeit sehe ich den Charakter. Charakter beschreibt die Wirkung auf die Umwelt. Jedes System, ob Mensch oder Gesellschaft, hat einen solchen Charakter. Sich dessen bewusst zu sein, ist der erste Schritt. Wie wirke ich auf meine Mitmenschen und wie wiederum manipuliere ich ihr Sein? Keine Panik: Jeder manipuliert und das immer; durch Handeln, durch Sprache, im positiven wie im negativen Sinne! Erkenne ich, wie ich meine Mitmenschen beeinflusse, erkenne ich meinen Charakter.
Durch eine solche achtsame Interaktion, gestalten wir eine Gemeinschaft. Zuvor müssen wir uns bewusst werden, dass wir, als Gemeinschaft, ebenso einen Charakter haben, der auf andere Gemeinschaften wirkt. Wie jedes Individuum benötigt auch die Gemeinschaft jede Menge Empathie um zu verstehen und zu erkennen, wie der eigene Charakter in dieser anderen Gemeinschaft wirkt. In der Vergangenheit haben sich unterschiedliche Kulturen eher bereichert als zerstört – außer religiöse oder politische Ideologien, die haben sehr wohl … naja, die selbe Medaille eben… Mit Empathie und einer erweiterten Leiblichkeit – wenn das nicht irgendwie das selbe ist – können wir erleben, wie wir in Koexistenz zu anderen Kulturen und der Natur leben können und müssen.
Was eine solches informellen Konstrukt wie „Gemeinschaft“ als einzige Referenz benötigt ist sich selbst. Ich bin kein Freund von Zirkelschlüssen, vor allem dann nicht, wenn sie ein Regelwerk für Absolut erklären wollen. Diese Normen sind, sozusagen, in meiner Ethik nicht gestattet 😉 Diesen einen Zirkelschluss, der hingegen als einzige Norm, als einziger Wert, das Denken bestimmt, und nicht etwa die Handlung, den möchte ich dann doch vorläufig dulden. Es gibt in in vielen Ausdrucksweisen und ist keine neue Erfindung: „Was du nicht willst was man dir tut, dass füge keinem anderen zu“, „Wie im Innen, so im Außen“ oder im entfernten auch „Die Freiheit des Einen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“. In einer solchen Spirale wird das Leben und die Vielfalt gewinnen und alles destruktive, wenn es eben ohne Hypermoral arbeiten muss, sich zwangsläufig selbst zerstören.