Es gibt einige diametrale Grundannahmen bei der Form einer Gesellschaft. Die Frage ob das Individuum im Mittelpunkt stehen sollte oder doch die Gemeinschaft ist wohl die, welche die Politik am meisten Bewegt. Es gibt aber noch eine weitere, verdeckte, die einen ähnlichen Graben zieht. Die Frage in diesem Beitrag ist, ob wir nach Naturrechten oder Vernunftrechten leben sollen.
Was sind eigentlich Naturrechte und was Vernunftrechte?
Ein Naturrecht, so könnte man lapidar sagen, ist ein Recht, welches wir durch das Sein haben. Weil wir am leben sind, haben wir auch das Recht auf Leben. Es muss nicht formuliert werden und braucht kein Gesetzbuch, es ist einfach da.
Aus meiner Sicht kann es sich auch aus den Verhältnissen ergeben. Also wie Menschen zusammenleben möchten, zum Beispiel. Bräuche und Sitten, und auch Dinge, die aus der Gewohnheit bestehen.
Naturrecht ist für mich auch ein rein deskriptives Recht. Es beobachtet und beschreibt die Vorgänge in der Welt. Das hierzulande angewandte BGB ist in weiten teilen deskriptiv und wer darin liest stellt fest, dass es wirklich das Handeln widerspiegelt. Natürlich gilt das nicht für alle Menschen sondern nur für jene aus dem jeweiligen Kulturkreis.
Dem Gegenüber steht das Vernunftrecht. In lapidar ist es die Art von Recht, welches man durch rein kognitive Leistung erbringt. Je nach Zielsetzung kann uns die Vernunft sagen, welche Rahmen wir zum erreichen dessen ansetzen müssten.
Diese so gesetzten Rechte sind positive Rechte. Ein positives Recht kann jeder erhalten, wie zum Beispiel das Recht ein Fahrzeug zu führen. Sie unterliegen regelmäßig irgendwelchen Auflagen. Wer diese Auflagen erfüllt, also Gehorsam ist, erhält bestimmte Rechte, wie zum Beispiel einen Kinobesuch. Die so verliehenen Rechte, wie etwa „freier Teil“ einer Gemeinschaft zu sein, können auch wieder entzogen werden.
Das Vernunftrecht ist, wie der Name auch versteckt sagt, abhängig vom Willen. Es ist damit auch der Willkür gleichzusetzen, denn es ist der Wille, der die Vernunft erst einschaltet. Rechtlich gibt es auch keinen Unterschied. Es sind ausgedachte Rechte, die reine Willenssache sind. Es gibt daher auch keinen Unterschied ob wir nun das Klima retten wollen oder Indigene Völker verdrängen, ob wir Kulturen zerstören oder Religionen erschaffen.
Pro und Kontra Vernunftrecht
Sicherlich vermag die Vernunft temporär einen Gewinn zu generieren. Aber eben nur so weit, wie die Grundannahmen korrekt sind. Gegen einen Klimawandel zu kämpfen, der nicht existiert. wäre kontraproduktiv. Ebenso gegen Viren, die nicht verstanden sind oder einen Feind, der nicht existiert. In all diesen Fällen, mag aufgrund erster Erkenntnisse, ein gewisses vernünftiges handeln notwendig sein. Auch jede natürliche Gesellschaft wird sich auf veränderte Bedingungen mit Vernunft einstellen. Aufgrund der Werkmächtigkeit von Gesetzen die mit Polizei und Militär gewaltsam durchsetzt werden kann und wird, gibt es einige Gefahren, die beim Vernunftrecht niemals außer acht gelassen werden darf.
Zum einen ist es die Art von Menschen, die in irgend einer Art und Weiße, aufgrund ihrer Sozialisation, einer psychischen Beeinträchtigung oder aus reinem Willen heraus, autoritär veranlagt sind. So gilt unter gewissen Philosophen die Aussage aus dem angelsächsischen Denkschulen, dass der Mensch eine Bestie sei und es dem Staat bedürfe um sie zu zähmen, als eines der Grundsteine moderner Staatsphilosophie. Gibt man diesen Menschen, mit einer derart autoritären, wenn nicht sogar totalitären Ideologie das Vernunftrecht an die Hand, ist damit zu rechnen, dass alles natürliche in uns, also Triebe, Lust, Leidenschaft, Emotionen usw. eliminiert werden. Im Extremfall. Aber wer kennt sie nicht die Politik: gibt man ihr den kleinen Finger, nimmt sie sich die ganze Hand.
Ein weiterer Aspekt ist die immer stärker werdende Hypermoral. Wie sonst kann man argumentieren, wenn man die eigene Vernunft über die der anderen stellt. Es gibt immer mehr Menschen, die von sich der Meinung sind, die Ideen, die sie als Gemeinschaft folgen, wären moralisch das Höchste. Sie setzen ihren – manchmal kollektiven – Glauben als den Glauben an, den es zu folgen gilt. Ihre Moral wäre somit besser als jede andere Moral. Sie sind es dann, die vorgeben, wohin sich die Gesellschaft zu entwickeln hat. Das ist nicht nur Hypermoral, dass ist bereits der Beginn einer Dekadenz von Gesellschaften, die kurz vor ihrem Untergang stehen. Was jetzt, wenn es totalitäre oder autoritäre Ideologien sind, ja nicht gerade schlimm ist 🙂
Und dann wäre da noch die Gefahr, Fakten zu schaffen, die nicht revidierbar sind. Wir kennen den „Fakt“, dass im Irak Atomwaffen gebaut werden sollten und Chemiefabriken auf LKWs durchs Land fahren. Aus purer Vernunft hat man angegriffen und… nichts entdeckt. Alles war gelogen – und das nicht zum ersten mal. Die Parteien in Deutschland, die dagegen gestimmt haben, sind die Parteien, die Jahre zuvor mit einer ähnlichen Lüge den ersten Angriffskrieg nach den Nazis geführt haben – Rot/Grün, btw. Wir können uns also fälschlicherweise auf eine Faktenlage stützen, die uns zu Reaktionen bewegt, die wir danach nicht mehr rückgängig machen können oder wollen. Letzteres wohl dann, wenn zu viele Involvierte Menschen einen Irrtum zugeben müssten, so das die Mehrheit bereit ist, einen Aberglauben zu entwickeln, der noch lange nach ihnen zu ungerechtfertigten Gesetzen und Regeln verleitet. Religionen sind diesen Weg gegangen und wir werden sicherlich auch in der Politik wieder diesen Weg sehen. In solchen Fällen wird Krieg zu Frieden und Lüge zur Wahrheit.
Pro und Kontra des Naturrechts
Ich hingegen sehe mich bei den natürlichen Menschen. Meine Idee von Naturrecht ist jedoch nicht nur auf den Menschen begrenzt. Alles was lebt ist davon eingeschlossen. Nicht nur Menschen, auch Pflanzen und Tiere haben ein Recht auf leben weil sie eben da sind. Wo im Detail die Grenze zwischen Leben und einfacher Materie zu ziehen ist, mag ich zumindest jetzt nicht sagen können. Aber alles was einem Prozess unterliegt, also sich wiederholt, ist davon eingeschlossen, was einer Art Projekt unterliegt, also einmalig ist und ein Anfang und ein Ende hat, nicht.
Wie es die Natur des Naturrechts verlangt, gilt es nun zu beschreiben, wie das Leben miteinander agiert. Prinzipiell geht es an dieser Stelle um Nachhaltigkeit und das im Einklang mit der Natur leben. Eben keinen Raubbau zu betreiben und auch nicht hunderttausende Umweltgifte zu produzieren und freizusetzen. Statt unsere Lebensgrundlage, den Boden, mit giften zu verwüsten – und Europas Böden sind zu 95% bereits Wüste – sollten wir das Leben in ihm erhalten und fördern. Es gibt unzählige Ansätze und Ideen.
Zuvor aber müssen Naturrechtler aber eingestehen, dass sie ihr Konzept des Naturrechts unbedingt erweitern müssen. Der bisherige Ansatz, nur den Menschen zu betrachten, hat zu einer Gesellschaft geführt, in der wir Menschen und über das Leben der Natur gestellt haben. Mit dem Konzept der Leiblichkeit können wir einen ersten Schritt tun. Und wenn dieser gelingt, ließe sich das entstandene natürliches System auch beschreiben. Außerdem ist zu bedenken, dass die Natur ein rauer Ort sein kann, in dem durchaus ein Recht des Stärkeren gilt. Aber, dieses Recht wird nicht, wie jetzt, bis zur Vernichtung ganzer Gattungen verwendet und auch nicht zur Bereicherung oder der Befriedigung hedonistischer Zwänge. Eben dass wir dieser Art der Erkenntnis fähig sind, müssen wir auch etwas geben. Das Recht auf Leben hat die Pflicht leben zu lassen. Das Recht auf individuelle Befriedigung hat die Pflicht individuell zu befriedigen. Es gibt kein Nehmen oder Geben, wenn alles im Gleichgewicht bleiben soll und im Prinzip bleiben muss. Aber das ist schon wieder Vernunftdenken…
Wir hätten also zu klären, wie Kultur entsteht. Wie viele verschiedene Arten zusammenzuleben werden sich entwickeln? Was sind die Mechanismen? So vielfältig wie die Natur ist, so vielfältig werden die Gemeinschaften sein. Und jede wird einen Beitrag für eine überlebensfähige Menschheit leisten, allein dadurch, dass sie existiert. Die Methoden werden immer wieder anders kultiviert und können, bei Erfolg adaptiert werden. Andere werden weniger erfolgreich sein und wir werden sie aus unseren Kulturen verschwinden sehen – so lange sie nicht mit Gewalt verteidigt wird. Aber wie natürlich das ist, lassen wir mal unbeantwortet. Jede Kultur wird auf ihre Weiße die bisherigen Errungenschaften und Ideen auf Herz und Nieren prüfen und rebellisch angreifen. So entstehen Ideen, die langfristig überlebensfähig und anwendbar sind.
Deswegen plädiere ich für das Naturrecht als die wichtigste, wenn nicht einzige Leitlinie, wenn es darum geht, zu erfassen, wie alle Menschen auf diesem Planeten zusammenleben können. Vielfalt schafft Resilienz gegenüber Totalitären und Autoritären Gemeinschaften. Eine freie aka. liberale Gesellschaft kann sich nur auf diesen Ideen entwickeln.