Sprache und Kultur

Sprache schafft Identität. Sie verbindet uns in der Kultur und bildet eine solche auch ab. Sprache zeigt aber auch an, wenn sich homogene Gesellschaften spalten. Der Riss beginnt immer in der Sprache. Deutschsprecher sehen den gerade vor sich.

In der konstruktivistischen Kommunikationstheorie wird Sprache so erklärt, dass wir mit den Worten eine Repräsentation im Kopf unseres Gegenübers aufrufen. Diese Repräsentationen sind individuell und durch Erfahrung in der Umwelt, mit z.B. mit Tischen oder Steinen, oder unserer Kultur, z.B. durch Abgrenzen der Begriffe, entstanden. Sprich, wir rufen beim Sprechen Bedeutungsfelder und damit alles, was im Kontext dieses Begriffes steht, auf. Ist diese Repräsentation annähern gleich, dann können wir überhaupt erst sinnvoll kommunizieren.

Das dies nicht nur bei der Sprache so ist, zeigt sich dann, wenn wir mit Symbolen negative Dinge assoziieren. Ein Hakenkreuz ist so ein Symbol, welches im Westen mehrheitlich negative Gefühle aufruft. In anderen Kulturen mag das anders sein. Das heißt, dass wir wohl eher von der Funktionsweise des Geistes sprechen müssten und nicht nur von der der Sprache.

Sprache (ge)prägt

Die Bedeutung ist also nicht Objektiv sondern rein Subjektiv. Es gibt keine Welt der Ideen, in der bereits alles vorgeformt ist. Man spricht bei diesen Annahmen vom Idealismus in seinem engsten Sinne. Wenn ich ein Wort X sage, dann kann ich mir zu 100% sicher sein, dass ich verstanden werde. Dem ist natürlich nicht so. Das kann heute zutreffen, muss aber in 200 Jahren nicht mehr sein, oder kann überhaupt nicht zutreffen, nämlich dann, wenn die Erfahrungen entweder nicht vorhanden oder andere sind als meine.

Sie bildet auch ab, was wir bereits über unsere Natur kennen. Alle Erkenntnis steckt in ihr, sowohl in der Syntax, als auch in der Semantik. Neue Erkenntnisse werden in die Sprache integriert, wir könnten sie sonst nicht formulieren.

Sprache ist, aus meiner Sicht, das Mittel, welches die Gesellschaft zusammenhält. Nur mit ihr können wir unsere Gedanken austauschen. Sie dient nicht nur dazu, dass wir uns im Alltag zurecht finden, sie dient in unseren modernen Gemeinschaften vor allem, sich zu vergewissern und abzugleichen, ob wir in die selbe Richtung gehen wollen und werden und anhand der Worte können wir erkennen, wer zur Gruppe gehört und wer nicht. Eine Gemeinschaft ist am gemeinsamen Bedeutungsraum der Zeichen zu erkennen.

Sprache wird also durch Kultur geprägt und ist ihr Charakter.

Jeder Mensch wächst in einer dieser Kulturen auf. In so fern kann man sagen, dass Sprache prägt. Nur nicht im Sinne einer Ideologie oder eines Systems, welches wir dann nie wieder ablegen könnten, sondern die Sprache prägt bestenfalls die Wortzahl und den Satzbau, den wir verwenden um unsere individuellen Gedanken zu äußern. Daher können wir mit der angewandten Sprache sehr wohl erkennen, aus welchem Umfeld jemand kommt, vor allem bei Kindern. Man kann sagen, es ist die trainierte kulturelle Identität, die hier, meist recht unverblümt, zum Vorschein kommt.

Für aufgeklärte, mündigen Erwachsenen – nicht mit rechtlich mündigen zu verwechseln – gilt das nicht. Sie suchen sich ihre Prägung bewusst aus. Die kulturelle Identität, die sie ausstrahlen, ist die kulturelle Identität, die sie selbst in der gewählten Kultur wahrnehmen und leben wollen. Es ist die integrierte, gelernte Form dieser kulturelle Identität. Sie wird bewusst und gefiltert nach außen getragen.

Wer also seine Identität finden will, muss durch eine kognitive Dissonanz. Durchbreche ich die Mauern meiner Sprache nicht, werde ich ein leben Lang nur das glauben müssen, was ich als Kind trainiert habe. Anstelle einer solchen echten Identität kann ich nur auf Alternativangebote zurückgreifen, deren Halbwertszeit sich noch erweisen muss. Letztlich geht es bei diesem Entwicklungsschritt nicht darum, die Seiten zu wechseln, sondern die Erfahrung zu gewinnen, dass nichts ist wie es scheint. Dass Zeichen, sprachlich oder bildlich, nur Repräsentationen sind, die jederzeit geändert werden können. Erwachsen zu sein heißt deshalb, selbst mit diesen Änderungen zu spielen und selbst Bedeutungen aus einer Vielzahl von Faktoren zu generieren, anstelle zu glauben. Nur so können wir erkennen wie die Wirklichkeit hinter einem subjektiven Charakter eines Phänomens ist.

Somit kann man sagen, dass Sprache zwar prägt, wir aber, als aufgeklärter Mensch, selbst prägen. Auf diese Weise trägt das Individuum dazu bei, dass die Sprache einer Kultur geprägt wird.

Charakter der Kultur

Ich möchte mal auf ein paar Ideen eingehen, wie die Sprache durch die Kultur geprägt wird.

Zum einen wäre da die Jugendsprache. Sie kreieren diese Sprachen aus der Laune und ihrer Möglichkeit heraus. Sie grenzen sich damit ab, tun dies aber nie aus Vorsatz, als eine Art Geheimcode. Es sind eher Wortspiele, denen zu wenig Beachtung geschenkt werden, denn hier könnten in der Tat neue Sprachkonstrukte entstehen. Ihre Phantasie, wie man mit Sprache umgehen könnte, ist nahezu unbegrenzt.

Als eine andere Form würde ich die Fachsprachen verschiedener Disziplinen vom Sport bis zur Wissenschaft betrachten. Sie hingegen dient eher der Abgrenzung, vor allem aber der besseren Kommunikation in immer und komplexere Systeme die durch ihre Abgeschlossenheit zudem immer komplizierter zu verbinden sind.

Kurt Tucholsky sagte, „Die Sprache ist eine Waffe, haltet sie scharf“. Auch das gibt es. Menschen, die die Sprache auch als Waffe nutzen. Diese Waffe funktioniert sehr einfach. Man suche ein Wort oder ein Zeichen, das allgemein negativ behaftet ist und dann bringt man eine andere Kultur oder einen Menschen damit in Verbindung. Das wiederholt man so lange, bis die Assoziation der negativen Gefühle auch mit dem Namen des Menschen verbunden sind. Man sagt dann auch, Sprache schaffe Realität.

Was natürlich Unsinn ist. So aber kann man mit Sprache induktiv und quasi logischen Schlüssen die Sache in die Köpfe ungebildeter, also auch junger und noch unmündiger Menschen einpflanzen. Nur Logik ist eben nicht gleich Wahrheit, aber es bedarf der Aufklärung um dies zu erkennen, was in Krieg der Worte mit vielen Nebelkerzen vielleicht nicht so leicht ist.

Der Indikator für Kulturspaltung

Die Entwicklung der Kultur und der Sprache ist stets im Gleichgewicht. Bis es, gerade in unserer westlichen Kultur, alles einem Namen geben zu müssen, zu Differenzen über die Bedeutung kommt. Ob ein Naturphänomen oder ein neues Ideal, ob sich die gerade noch homogene Gemeinschaft in zwei Lager spaltet merkt man immer zuerst in der Sprache. Es werden andere Begriffe verwendet oder die selben Begriffe werden anders gedeutet. Das ist an und für sich ein natürlicher Vorgang. Es ist die Entropie der kulturellen Systeme und sorgt für Vielfalt und auch für Fortschritt.

Die deutsche Sprache erlebt gerade einen dieser Umbrüche. Nur ist dieser Bruch ausgelöst durch eben jene Wortgewalttäter und somit künstlich. Begonnen hat es mit der politisch korrekten Ausdrucksweise, ursprünglich einem konservativen Thema. Vielleicht ist „politisch“ das falsche Wort. Heute wäre es besser zu sagen, sich „achtsam auszudrücken“. Es ging und sollte auch jetzt darum gehen, seine Worte so zu wählen, dass wir andere nicht ausgrenzen oder gar zu willentlich beleidigen. Jemanden mit seinen Worten zu triggern ist das eine, dass mache ich auch gerne, es aber in der Absicht zu tun, ihn Herabzuwürdigen, dass ist etwas anderes, vielleicht sogar – weil Würde – rechtlich bedenkliches.

Das eine aufgezwungene Identität nicht jedem gefällt, dürfte den Protagonisten klar sein. Es ist so, als wäre man ein Kind, nur das rechtlich mündige Menschen durchaus fühlen, dass hier etwas nicht stimmt. Es ist keine integrierte Identität, die man leben muss. Man muss Begriffe verwenden, die man nicht verwenden möchte, vielleicht gerade wegen des Zwangs und nicht wegen der Überzeugung, wie es bei mir ist. Ich gehe mit so gut wie allen Forderungen einher, ich mag nur die Methode nicht. Gewalt erzeugt Widerstand.

Wie es weitergehen könnte

Nehmen wir an, die hypermorale Kultur gewinnt. Dann sind wir an genau dem Punkt, an dem wir bereits vor Generationen waren, wir sind eine homogene Kultur. Diese Kultur wird sich spalten, es ist nur eine Frage der Zeit. Ich will nicht mal unterstellen, dass dies unterbunden werden würde, wäre es so, gibt es keinen Zweifel und die Pflicht zum Widerstand. Aber ich möchte annehmen, dass es friedlich, friedlicher als jetzt verläuft. Was haben die Menschen dadurch gewonnen? Nichts! Mehr noch, sie hat Zeit verloren. Zeit, in der man bereits neue Wege hätte probieren können. Und wenn ich doch schwarz male, dann wird diese neue Kultur, mit ihren gentechnischen Freilandversuchen in Flora und Fauna, sicherlich dem Planeten mehr schaden, als nutzen. In einem solchen Fall würden wir auch noch die Lebensgrundlage verlieren. Also schlimmstenfalls.

Man darf bei aller Panscherei nicht vergessen, dass die Sprache eben doch Einfluss hat. Geschlechtergerechtigkeit oder Antirassismus bedarf nach meiner Auffassung keiner Diskussion. Einen negativen Einfluss in diese Richtung in der Sprache entgegenzuwirken macht durchaus Sinn. Nur sollte jeder für sich diesen Weg gehen und im engen Kreis teilen. Die besten Wege dazu werden sich von alleine ausbreiten und würden im Kionsens angenommen. Die Diskussion wird durch die Sprachverordnung vollständig unterbrochen und andere Meinungen und Wege ignoriert. Wenn wir eine achtsame Sprache möchten, ist der eingeschlagene Weg alles andere als Achsam. Vielmehr dürfte die Bewegung, die diese Rücksicht nicht nimmt, in Zukunft mit den Problemen der angewandten Methode haben, wenn diese, ich mag es nicht hoffen, sich wiederum über die Sprache in deren Kultur eingeht. Der nicht haltbare Vorwurf, die Anderen seien nicht tolerant, würde dann in einer intoleranten Kultur enden und am Ende sprachlich verankert.

Das wir uns hier in Zukunft wieder einig werden, sehe ich nicht. Der Turm zu Babylon ist bereits gebaut. Die Sprache, als Indikator, zeigt, dass sich zwei Gruppen gebildet haben. Die Spaltung der Deutschsprechenden ist somit keine Theorie mehr, in der man sich Fragen kann, wie wir einen Ausweg und zu einer Einheit werden können. Der sprachliche Graben ist die Folge und das Mittel der Spaltung. Die Frage muss vielmehr lauten, wie es die Menschen nun schaffen werden, sich aufzuteilen, so dass jeder seinen gewählten Weg gehen kann und wir einen neuen Totalitarismus vermeiden können. Dazu gehört der Wille beider Parteien und die Möglichkeit, einen neuen Staat zu gründen, in dem die Menschen leben werden, die sich nicht mit der neuen Kultur anfreunden können. Da Spaltungen eher die Regel als die Ausnahme sind, und es immer eine kulturelle Entropie geben wird, können wir aus der Not eine Tugend machen und eine Blaupause entwickeln, wie wir aus der aktuellen Lage, mit den vielen Nationen und den unterschiedlichsten Interessengruppen, herauskommen können, indem wir mit Verstand das Unausweichliche durchziehen. Wir teilen eine (vermeintlich) homogene Gruppe und lassen beide parallel und (hoffentlich) friedlich nebeneinander existieren. Deutschland war Multikulti und wird so wieder Multikulti. Zumindest würde ich genau dafür auf meiner Seite kämpfen 🙂

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