Wer von Politik vernünftige Entscheidungen erwartet, hat nicht begriffen, dass der Wille zur Macht stärker ist als jede Vernunft.
Roland Baader
Da hat er wohl recht. Im Grunde ist es ja so, dass die einzige Vernunft, die Politiker aufbringen können die ist, die sie zum nächsten Wahlsieg und damit zum Machterhalt befähigen. Vernünftige Entscheidungen unterliegen dem Willen, weiterhin an der Macht zu sein und nicht dem Willen, allen zu dienen. Wer nicht an der Macht ist, kann nicht dienen. Das Gemeinwohl ist also dem Machterhalt unterzuordnen. Das ist Politik, dass ist das Prinzip Staat und das ist es, was man heute Demokratie nennt.
Nur so können Aussagen zustande kommen, dass unterschiedliche Meinung der Demokratie schaden würden. Die Grünen meinen damit, dass eine andere Meinung zu einer anderen Partei führen könnten und damit ihre Macht in Gefahr ist. Die Wahlfreiheit ist, wie wohl jede Art der Freiheit, eine Gefahr für den Staat – sie ist das Gegenteil eines solchen.
Aber zurück zur Vernunft, die sich jedem anbiedert, der denken kann. Zu sagen „sei doch mal vernünftig“ heißt übersetzt nicht mehr als „denk doch mal nach“. Trotzdem meinen manche, es sei nur wenigen vorbehalten vernünftig zu sein. Dem ist natürlich nicht so, jeder ist vernünftig. Sowohl die AfD, als auch die Grünen – und alle anderen natürlich auch. Nur ist es bei politisch, religiös oder sonst irgendwie ideologisch motivierten Menschen so, dass sie ihre Vernunft nur zum Wohle der eigenen Idee einsetzen, niemals zum wohle aller. Sie sind der Überzeugung, dass ihre Idee die einzig richtige sei und deshalb auch alle diese erfahren müssten. In mehr oder weniger missionarischem Eifer werden alle zur Verfügung stehenden Medien genutzt, um das Heil der Welt zu verkünden, wenn man doch nur sich dieser einen Idee anschließen würde. Ihr Wille ist es, ihren Glauben an anderen weiterzugeben. Deshalb kann ihre Vernunft nichts andere hervorbringen als den Dogmatismus und die Intoleranz. Das ist wohl das negative Erbe des Marxismus.
Man kann nur Mitleid mir diesen Menschen haben, würden sie nicht „ihre Feinde“ derart hart und ungerecht angehen. Meine Überzeugung ist anarchistisch und dazu gehört, nach meiner Auffassung auch, auf Gewalt zu verzichten. Gewalt ist ein Mittel der Unterdrückung und damit der Herrschaft. Als Mann bin ich überzeugt, dass es die Folge von Testosteron gesteuerter Vernunft ist. Das können wir Männer aber besser, da bin ich mir sicher.
Die Vernunft wird von jedem genutzt. Jede Verschwörungstheorie sowie jedes neue Gesetz (in unserer neuen Normalität jedenfalls) aus dem Bundestag ist das Produkt der Vernunft. Sie ist durch unsere Psyche und unserer Kultur beeinflusst sein. Das bedeutet aber nicht, dass die eine Vernunft besser ist als die andere, jedes Produkt ist gleichbedeutend. Die Folge des freien Gebrauchs der Vernunft ist Meinungsfreiheit und nur wer viele Meinungen kennt und gehört hat, kann unterscheiden, was eine gute und was eine eher weniger gute Idee ist. Verlangen wir, die Einflüsse von außen zu unterdrücken, geht auch die Meinungsfreiheit verloren. Wir geben dann unsere Natur auf. Manche freiwillig, was ihr gutes Recht ist, manche aber auch durch Zwang. Zum Beispiel durch die angesprochene, veraltete, testosteroninspirierte Philosophie vom Staat, der Autorität und der Totalität.
Was uns im Moment fehlt sind die weiblichen Aspekte, weibliche Vernunft. Die ganze Philosophie ist durch Männern geprägt, das Staatswesen wurde durch Männer gestaltet, alles Systeme die die Gesellschaft bilden kommen von uns Männern. Die Vernunft der Frauen war im Hintergrund aktiv und mag hier und da Wirkung erzeugt haben. Um aber die Kultur zu verändern, fehlt sie noch immer. Was durchscheint sind weibliche Gedanken in einem männlichen System. Da uns das System prägt, bleibt dieser Feminismus ein Patriarchalischer. Den Einfluss des Charakters wird man nicht abstreifen, solange man derart Kategorisch denkt und handelt und ihn sich somit immer wieder freiwillig überzieht. Eine andere Kultur können wir nur entwickeln, wenn wir die nächste Generation ohne diese aufwachsen lassen würden. Wir sollten vielleicht damit beginnen, Kategorien an sich aufgeben, statt nur die, die uns gerade nicht passen. Nur dann können wir der Vernunft freien lauf lassen und wirklich neue Einsichten gewinnen, neue Konzepte formulieren und eine Kultur kreieren, die nicht mehr durch alte Ideen vorkonfiguriert ist.